Mehrsprachige Erziehung: 4 essenzielle Tipps damit es ohne Druck klappt

05/04/24

Wie schafft man es, dass sein Kind, das mit mehreren Sprachen aufwächst, diese auch gut spricht, ohne dabei in irgendeiner Form Druck auf sein Kind auszuüben? Denn ja, eine Sprache mit einem Kind zu sprechen ist das eine. Dass ein Kind diese Sprache auch aktiv spricht, ist eine andere. In diesem Artikel verrate ich dir, was du auf jeden Fall tun solltest, damit es klappt. 

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Tipp 1: Setzt euch klare Ziele und geht den Weg als Team

Es mag vielleicht ganz banal klingen, aber als erstes müsst ihr euch klare Ziele setzen. Und ich sag „ihr“ nicht „du“, weil es am Besten klappt, wenn ihr als Eltern ein Team seid. 

Mehrsprachig erziehen ist nicht nur mehrere Sprachen weitergeben. Es muss harmonieren. Es ist ein Team-Game! Deshalb solltet ihr euch als Paar damit auseinandersetzen. 

Überlegt euch, was ihr euch wirklich wünscht: Reicht es euch, wenn euer Kind ein Gespür für eure Sprachen entwickelt oder soll es sie wirklich aktiv sprechen? Das sind zwei sehr unterschiedliche Ziele, die ganz unterschiedliche Rahmen benötigen. 

Erst wenn ihr wisst, wo die Reise hingehen soll, könntet ihr bestimmen, wie ihr dahin gehen wollt.

Tipp 2: Definiert den für euch richtigen Fahrplan

Und so sind wir schon beim nächsten Punkt: Dem Fahrplan. Er dient euch zur Orientierung. Dieser Fahrplan muss u.a. zwei Elemente beinhalten: Die Gestaltung der Kommunikation innerhalb der Familie und die Gestaltung von Sprachumfeld im Allgemeinen.

Wählt eine Kommunikationsstrategie

Je mehr ein Kind in Kontakt mit einer Sprache ist, desto besser sind die Chancen, dass es diese Sprache gut lernt und auch anwendet. Wenn eine der Sprachen zu stark dominiert, besteht das Risiko, dass die anderen Sprachen darunter leiden. 

Deshalb ist es absolut notwendig, von Anfang an eine Familienstrategie auszusuchen, die bestimmt, wie in der Familie kommuniziert wird. Die Struktur (u.a. das Nicht-Durcheinander-Anwenden der Sprachen durch die Eltern)  ist vor allem deshalb so wichtig, weil sie gewährleisten kann, dass jede Sprache genug Input bekommt und erleichtert eurem Kind das Einsteigen in die Sprache.

Vom Eine-Person-eine Sprache-System (jeder Elternteil spricht nur seine Sprache mit dem Kind) hast du sicherlich schon gehört. Es gibt andere Strategien, die auch wunderbar funktionieren und sogar oft notwendig sind. Hier empfiehlt es sich sehr, nach einer Lösung zu suchen, die ganz individuell an eure Familiensituation und das Sprachumfeld eueres Kindes angepasst ist. 

Welche Strategien es gibt, kannst du in meinem Blogartikel Mehrsprachig erziehen: Wie? nachlesen: 

Überlegt euch, welche Möglichkeiten ihr bei euch in der Familie habt und wie ihr sie optimal nutzen könnt. 

Und hier ein oft verbreiteter Fehler - und diesen Fehler haben wir damals mit unserem Sohn auch gemacht: Nur zu überlegen, wer spricht welche Sprache mit dem Kind. Das wird auch so in allen Ratgebern gepredigt. Doch es ist in der Realität viel komplexer als das: Welche Sprache sprecht ihr Eltern untereinander und welchen Einfluss wird das auf euer Kind und die Kommunikation haben? Wie kommuniziert ihr, wenn ihr zu dritt seid? Wie sorgt ihr dafür, dass ihr euch alle wohl fühlt und die Kommunikation fließen kann? Welchen Kontakt hat euer Kind noch zu seinen Alltagssprachen? Das alles sind Aspekte, die auch bei der Strategie berücksichtigt werden müssen.

So kommen wir zum nächsten Punkt und zwar zum Sprachumfeld im Allgemeinen. 

Gestaltet das richtige Sprachumfeld

Denn ja, nicht nur ihr Eltern bietet eurem Kind Sprachkontakt an. Es gibt noch weitere Personen, die in seinem Alltag eine Rolle spielen /spielen werden. Überlegt euch: Welche Sprachen werden da gesprochen oder sollten gesprochen werden? 

Es ist u.a. wichtig zu überlegen, ab welchem Alter euer Kind in eine Betreuungseinrichtung gehen soll und welche Sprache(n) dort gesprochen werden soll. 

Wenn ihr zu Hause die Landessprache nicht verwendet, wäre es z.B. sehr sinnvoll, dass euer Kind noch vor seinem dritten Geburtstag einen Kindergarten besucht, in dem nur diese Sprache gesprochen wird. Das erleichtert eurem Kind das Einsteigen in die zukünftige Bildungssprache. 

Tipp 3: Achtet auf den richtigen Umgang mit eurem Kind

  • Bietet einen qualitativen Sprachinput an, der die Motivation eures Kindes stärkt

Der „Sprachinput” ist das, was eurem Kind alltäglich an Sprache begegnet. 

Es ist eben nicht nur wichtig, wie häufig ein Kind Kontakt zu einer Sprache hat, sondern auch auf welche Art und Weise: Wie wird mit dem Kind in der Sprache kommuniziert? 

Und hier mein Motto an der Stelle: Ermutigung statt Forderung!

Für mich persönlich war es immer sehr wichtig, meinen Sohn nicht unter Druck zu setzen. Nach fünf Jahren Arbeit mit Familien bin ich fest davon überzeugt, dass dies eine sehr große Rolle in der erfolgreichen Sprachentwicklung von mehrsprachig aufwachsenden Kindern spielt. Die gesunde Grundlage für eine erfolgreiche Mehrsprachigkeit besteht in einem positiven Verhältnis des Kindes zu seinen Sprachen: Und das erreicht man nicht durch Einfordern, sondern durch das Wecken und Pflegen der Neugierde, der Lernmotivation und der Freude. Alles beruht auf der Kunst, die Sprachen für dein Kind attraktiv und relevant zu machen. Somit ist deine größte Aufgabe diese: Dafür zu sorgen, dass dein Kind einen Sinn in der Anwendung seiner Sprachen sieht und Freude daran hat. Es gibt in der Hinsicht sehr viele Tricks, die man anwenden kann. Hierbei gilt u.a., das Kind zu ermutigen, wenn es sich in der einen Sprache bemüht und es nicht ständig zu korrigieren.

Es bedeutet auch darauf zu achten, Momente des intensiven Austausches zu gestalten. Mensch-zu-Mensch-Interaktionen sind das, was dein Kind für seine Sprachentwicklung am meisten braucht: Interagiere also mit ihm und sei in diesen Momenten voll bei ihm. Suche den Blickkontakt und hör deinem Kind - auch wenn es noch nicht sprechen kann und nur brabbelt - interessiert zu. Das schafft Nähe, Vertrauen und Bindung.

  • Seid so konsequent wie möglich

Ich weiß, es fällt vielen Eltern schwer, konsequent zu sein. Doch machen wir uns nichts vor: Je konsequenter ihr selber als Eltern in der Anwendung der Sprachen und eurer Strategie seid, desto sicherer ist auch der Erfolg am Ende. Die gute Nachricht: Es muss nur zur Routine werden und das kann man sich antrainieren. Also: Macht euch nicht verrückt, lasst euch Zeit und holt euch, wenn nötig, Unterstützung.

Tipp 4: Habt die richtige Einstellung

  • Vertraut dem Ganzen und eurem Kind

Euer Kind muss spüren, dass ihr ein positives Verhältnis zu all seinen Sprachen habt und dass Mehrsprachigkeit etwas Normales ist. 

Die Mehrsprachigkeit wird euer Kind nicht überfordern (siehe u.a. den Blog-Artikel: Viersprachig aufwachsen: kann mein Kind das?). Ihr könnt eurem Kind und seiner Fähigkeit vertrauen. 

  • Liebt und lebt eure Sprachen und Kulturen!

Spürt euer Kind eine Abneigung gegenüber der einen oder der anderen Sprache, so kann sich das negativ auf seine emotionale und somit indirekt die gesamte sprachliche Entwicklung auswirken. Leider genießen nicht alle Sprachen dasselbe Prestige. Lasst euch davon aber nicht verunsichern: Steht zu eurer Entscheidung - sie ist wunderbar! 

Findet euren eigenen Weg, um jeder Kultur, mit der euer Kind aufwächst, ihren Platz zu geben; zum Beispiel indem ihr kulturelle Traditionen übernehmt und gemeinsam mit eurem Kind feiert.  Habt Spaß! Freude ist ansteckend!

  • Wenn es Gegenwind gibt

Nicht selten berichten mir Eltern, dass manche Familienmitglieder der Mehrsprachigkeit negativ gegenüberstehen. Sucht das offene Gespräch, sprecht mit eurem Herzen und versucht zu verstehen, was die Gründe dahinter sind. Oft fehlt einfach das Wissen darüber, dass die Mehrsprachigkeit eurem Kind nicht schaden wird. Auch Großeltern wollen meistens nur das Beste für ihr Enkelkind, nur bringen sie ihr eigenes Wissen und ihre eigene Perspektive auf die Dinge.

Denkt daran: Jede Sprache ist wertvoll und verdient, weitergegeben zu werden.

Schlusswort 

Die mehrsprachige Erziehung ist eine Reise und wie bei jeder Reise ist es auch hier sinnvoll zu wissen, was das Ziel ist und wie ihr am Besten dahin kommt. Nichtsdestotrotz darf die Reise unerwartete Erlebnisse und Umwege mit sich bringen. Wichtig ist aber, dass ihr als Eltern selbstsicher am Steuer sitzt und dabei eurem Kind vorlebt, dass ihr auf die Reise als  Team geht und diese auch genießt.

Natürlich wird auch die Persönlichkeit eures Kindes eine Rolle im Spracherwerb spielen. Wichtig ist, dass ihr als Eltern wisst, wie ihr eben mit seinen Bedürfnissen und Interessen am besten umgeht. 

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Dr. Adeline Hurmaci

"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."