12.07.24, Dr. Adeline Hurmaci
Zweisprachige Erziehung: Ein Kinderspiel? Ja und nein. Ja, es fällt Kindern in den ersten Lebensjahren leicht, mehrere Sprachen zu lernen; aber, dass sie sich diese wirklich aneignen und sprechen können, ist nochmal was Anderes. Es ist mir ein persönliches Herzensanliegen, darüber zu sprechen bzw. zu schreiben, damit ihr als Eltern von Anfang an euren Kindern die besten Bedingungen für die Zweisprachigkeit bieten könnt. Deshalb gehe ich heute in diesem Artikel auf 8 wichtige Fakten, die ihr unbedingt kennen solltet, wenn ihr euch auf diese Reise macht.
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Viele Eltern fragen sich, ob Zweisprachigkeit eine Belastung für ihr Kind sein könnte. Und ich kann dir versichern: es ist nicht der Fall. Im Gegenteil, zahlreiche Studien zeigen, dass Kinder, die mit zwei Sprachen aufwachsen, kognitive Vorteile haben können. Diese Kinder entwickeln oft bessere Problemlösungsfähigkeiten und ein höheres Maß an Kreativität. Schau dir gerne dazu meinen Blog-Artikel mit dem Titel: “Vor- und Nachteile von Mehrsprachigkeit bei Kindern - Was ist wirklich dran?”.
Oft wird davon ausgegangen, dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen, automatisch ihre sprachen weniger gut beherrschen als monolinguale Kinder. Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Also es ist nicht automatisch der Fall. Aber natürlich müsst ihr als Eltern auf einiges achten, damit ihr eine starke Kompetenz in beiden Sprachen sichern könnt. Dazu später mehr.
Besonders wichtig an der Stelle ist zu wissen: Die Kompetenz überträgt sich von der einen in die andere Sprache. Im Gehirn unserer kleinen Kinder werden die Brücken zwischen den Sprachen automatisch gebaut. Wissenschaftler*innen haben es bewiesen: Das Stärken einer Sprache trägt zur Stärkung der anderen Sprache bei [Siehe: Krifka et al. 2014].
Je nach Sprachkombinationen kann es für die Kinder leichter oder schwerer sein, die Sprachsysteme voneinander zu unterscheiden. Zum Beispiel wird es für ein Kind, das mit Deutsch und Niederländisch oder Französisch und Spanisch aufwächst womöglich schwerer sein, als für ein Kind, das mit Deutsch und Chinesisch aufwächst.
Andererseits hat eine Studie aus dem Jahr 2021 gezeigt, dass die Ähnlichkeit der Sprachen einen positiven Einfluss auf den Wortschatz-Aufbau bei Kindern im Alter von ca. 2-3 Jahren hat. Das Ergebnis lautet: “Je ähnlicher die Sprachen sich sind, desto größer ist der aktive Wortschatz” [Gampe et al. 2021]. Aktiver Wortschatz heißt: Anzahl der Wörter, die die Kinder sprechen - und nicht nur verstehen.
Also hat die Ähnlichkeit der Sprachen einen Vorteil für den Wortschatz-Aufbau, nicht unbedingt für andere Bausteine im Spracherwerb. Das muss aber noch weiterhin erforscht werden.
Ich höre oft, dass Eltern zuerst die Kompetenz in der Bildungssprache sichern wollen, bevor sie mit der zweiten Sprache anfangen. Der Gedanke dahinter ist auf jeden Fall richtig: Es ist essenziell für eine gute Kompetenz in der Bildungssprache zu sorgen, bevor das Kind in die Schule kommt.
Doch eins sollte immer bedacht werden: Je länger gewartet wird, um eine Sprache beizubringen, desto schwieriger wird es sein, das Kind zu motivieren, vor allem, wenn der Sprachkontakt also der tägliche kontakt mit der Sprache im Alltag zu gering ist, wenn sich also dabei um eine Nicht-Landessprache handelt.
Die “intrisische Motivation”, die in den allerersten Lebensjahren da ist, verschwindet mit der Zeit. Natürlich ist es nie zu spät, eine Sprache zu lernen aber es kann sein, dass das große Interesse für das Lernen der Sprache nie kommt, vor allem wenn das Kind kein nutzen darin erkennt.
Schau dir dazu gerne meinen Blog-Artikel mit dem Titel: “Bilinguale Erziehung: Wann ist der beste Zeitpunkt um zu starten?”.
Wenn du willst, dass dein Kind zweisprachig wird, dann brauchst du ein klares Ziel und dementsprechend einen klaren Plan, der dich zu deinem Ziel führt.
Wenn dein Ziel ist, dass dein Kind schon im Kindesalter beide Sprachen in Wort und Schrift beherrscht, dann brauchst du einen anderen Plan als wenn es dir reicht, dass dein Kind erstmal deine Sprache versteht.
Zu diesem Plan gehört u.a.:
Es geht darum, das Sprachumfeld deines Kindes optimal zu gestalten. Wenn du das nicht tust, dann wird höchstwahrscheinlich früher oder später eine Sprache zu kurz kommen. Es wird an Relevanz und/oder an Kompetenz fehlen.
Vielleicht hast du schon von der OPOL-Methode gehört: One Parent One Language. Dabei spricht jeder Elternteil konsequent nur eine Sprache mit dem Kind. Das klingt nach einer perfekten Strategie, oder? Ja und nein. OPOL kann sehr effektiv sein, aber es passt nicht zu jeder Familie. Zum Beispiel, wenn ein Elternteil sehr wenig Zeit mit dem Kind verbringt, kann diese Methode dazu führen, dass eine Sprache unterrepräsentiert ist. Außerdem kann es zu Verwirrung und Frustration führen, wenn die Eltern untereinander nicht konsistent sind. In meinem Artikel „Darum ist OPOL nicht immer sinnvoll“ gehe ich genauer auf die Vor- und Nachteile dieser Methode ein – schau es dir gerne an.
Anders als oft gedacht wird: Zweisprachigkeit entwickelt sich nicht von selbst, vor allem nicht in einer Umgebung, in der eine Sprache dominiert. Alle Kinder brauchen eine aktive Sprachförderung seitens der Eltern, mehrsprachige Kinder umso mehr.
Es ist wichtig, dass du deinem Kind aktive Unterstützung und Förderung bietest. Das kann durch Bücher, Spiele, Lieder, Reime und natürlich verbindende emotionale Gespräche und Interaktionen mit deinem Kind sein. Das Vernetzen mit anderen Familien aus derselben Sprachgemeinschaft oder der Besuch einer bilingualen Kita kann je nach Sprachkonstellation und Umfeld auch sehr hilfreich sein. Es ist entscheidend, dass die weniger gesprochene Sprache genügend Raum bekommt und als wichtig wahrgenommen wird.
Ich weiß auch aus der Arbeit mit vielen Eltern, dass die Unterstützung durch eine Fachperson wie mich sehr wertvoll ist, um nicht ins Zweifeln zu kommen und dran zu bleiben. Mehrsprachig erziehen ist ein long run game!
Eltern sind oft besorgt, wenn ihre Kinder ihre Sprachen mischen. Aber keine Sorge, das ist ein natürlicher Teil des Zweitspracherwerbs und wird “Code Mixing” genannt. Kinder verwenden die Sprache, die ihnen gerade besser passt oder die sie besser beherrschen, um sich auszudrücken. Du solltest das Mischen positiv betrachten denn es zeigt, dass dein Kind auf beide Sprachen zurückgreifen kann. Wenn du als Papa oder Mama den richtigen Umgang damit hast und dein Kind in der Hinsicht bewusst förderst, dann wird das Mischen schneller nachlassen. Weitere Infos dazu findest du in meinem Artikel .
Es ist normal, dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen, eine der beiden Sprachen passiv beherrschen – das heißt, sie verstehen die Sprache, sprechen sie aber selten oder gar nicht. Dahinter können unterschiedliche Ursachen stehen wie z.B. dass das Kind die Sprache nicht genug beherrscht und sich nicht traut oder es einfach keinen Sinn darin erkennt, die Sprache zu aktivieren.
Das Problem ist aber: Kinder lernen Sprachen durch sprechen. Je weniger sie eine Sprache aktivieren, desto weniger werden sie diese Sprache auch können. Und je weniger sie die Sprache können, desto weniger werden sie diese aktivieren. Das ist ein Teufelskreis.
Ganz entscheidend für den weiteren Verlauf der mehrsprachigen Erziehung wird dann sein, wie wir als Eltern mit einer solchen Situation umgehen.
Es braucht Geduld, Konsequenz und vor allem ganz bewusste Förderung, aber es lohnt sich. Schau dir mein Video “Wenn dein Kind deine Sprache nicht spricht” “ an, um mehr darüber zu erfahren, was du in der Situation tun oder vermeiden solltest – der Link ist in der Beschreibung.
Ein bewusster Umgang mit den Sprachen und eine Bewusste Förderung sind entscheidend für den Erfolg der zwei- oder mehrsprachigen Erziehung. Es lohnt sich wirklich sehr, sich schon von Anfang an genau mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich hoffe, dass dieser Artikel dir in der Hinsicht schon weiterhelfen konnte.
Gampe, Anja, et al. (2021): “Does Linguistic Similarity Affect Early Simultaneous Bilingual Language Acquisition?” Journal of Language Contact 13, 482-500
Krifka, Manfred; Blaszczak, Joanna; Leßmöllmann, Annette; Meinunger, André; Stiebels, Barbara; Tracy, Rosemarie; Truckenbrodt Hubert (Hrsg.) (2014): Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler, Springer Verlage
Sivakuma/Sette inArnaus Gil, Laia; Müller, Natascha (2019): Frühkindlicher Trilingualismus, Französisch, Spanisch, Deutsch, Tübingen: Narr Francke Attemptop Verlag
Stavans, Anat; Jessner, Ulrike (2022): The Cambridge Handbook of childhood multilingualism, Cambridge univ. press.
Tracy, Rosemarie (2008): Wie kinder Sprachen lernen und wie wir sie dabei unterstützen können, Francke Verlag.
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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