06/08/2021
Vier Sprachen, wird das nicht zu viel?
Und was ist mit der Landessprache? Wie kann das Kind sie denn richtig lernen, wenn sie zu Hause nicht gesprochen wird?
Das sind die häufigsten Fragen, die Eltern mir stellen und von denen ich in den sozialen Medien lese.
Und genau solche Vorurteile gegenüber frühkindlicher Mehrsprachigkeit liegen mir besonders am Herzen, denn ich möchte der Welt mitteilen, dass Mehrsprachigkeit etwas ganz Normales ist. Und dass Kinder trotzdem eine starke Sprachkompetenz erwerben können und Bilingualität weder gegen eine gute Bildung noch eine gelungene Integration spricht. Ganz im Gegenteil: Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, wachsen mit unterschiedlichen Perspektiven auf die Welt auf und haben gute Voraussetzungen, um später wichtige Akteur*innen einer offenen und toleranten Gesellschaft zu werden.
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Familien, in denen vier Sprachen gesprochen werden, sind nicht mehr selten. Ich habe schon viele solcher Familien begleitet: Der Papa kommt aus dem einen Land, die Mama aus dem anderen. Sie kommunizieren in einer dritten Sprache und leben in einem Land, in dem eine vierte Sprache gesprochen wird. Und meiner Meinung nach sollte keine dieser Sprachen zu kurz kommen, denn jede ist wichtig: Sei es für die Bildung, die Integration, das Wohlbefinden oder auch für die Kommunikation und den Aufbau von Beziehungen mit nahestehenden Personen.
Und ganz wichtig: Der emotionale Aspekt hinter dem Erwerb einer Sprache darf nie unterschätzt werden: Wenn sich eine Sprache in der Kommunikation mit dem Kind richtig und natürlich anfühlt, dann sollte diese auch gesprochen werden. Ich verstehe trotzdem sehr gut, dass Eltern Angst davor haben, ihr Kind mit drei oder vier Sprachen zu überfordern. Doch mit den richtigen Grundlagen spricht absolut nichts dagegen, sein Kind mehrsprachig zu erziehen.
„Das Gehirn ist jedenfalls kein Behälter, in dem der einer Sprache zur Verfügung stehende Platz beschränkt wäre. Lernzuwächse in der einen Sprache bedeuten keinen Verlust für die andere.” [1]
Dieses Zitat der berühmten Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy bringt es auf den Punkt: Es zeigt, dass die Anzahl der Sprachen keineswegs die Fähigkeiten in den jeweiligen Sprachen einschränkt. Natürlich benötigt jede Sprache ihren Input (Kontakt). Und natürlich wird es immer stärkere und schwächere Sprachen geben.
Doch indem wir als mehrsprachig erziehende Eltern die richtigen Grundlagen schaffen, können wir dafür sorgen, dass sich die Landessprache prächtig entwickelt und das Kind sich auf dem gleichen Niveau befindet, wie einsprachig aufwachsende Kinder. Und auch die anderen Sprachen können sich so weit entwickeln, dass das Kind sie nutzen und mit der Zeit immer weiter aufbauen kann. Auch dann, wenn es etwas länger dauert. Aber das ist völlig ok, oder?
Sprachkompetenz vermitteln ist wie Kuchen backen: Nicht (nur) auf die Quantität der Zutaten kommt es an, sondern auf ihre Qualität und die Balance bzw. die Harmonie.
Das klingt erst einmal logisch: Ein Kind, das eine Sprache weniger hört und anwendet, kann diese Sprache auch nicht so gut sprechen.
Wir stellen uns also vor, dass die Sprachkompetenz der Landessprache ein fertig gebackener und köstlicher Kuchen ist. Die Sprachkompetenz der zweiten Sprache ist genau so ein Kuchen, nur ohne Vanillezucker. Diesem zweiten Kuchen fehlt also etwas und er ist scheinbar nicht so perfekt wie der Kuchen mit Vanillezucker.
Doch stellen wir uns nun vor, wir ersetzen den Vanillezucker durch etwas mehr Zucker und einen Löffel Vanillepudding, dann haben wir am Ende dasselbe Ergebnis, nur mit anderen Zutaten.
Außerdem zählt bei einem Kuchen nicht nur, welche Zutaten wir verwenden, sondern wie gut und hochwertig diese sind, nicht wahr?
Und genau so kannst du es dir mit der Sprache vorstellen.
Um in Sprache A (Landessprache) die Kompetenz eines einsprachigen Kindes zu erwerben, benötigt ein Kind ausreichend Input aus drei Umfeldern: aus der Familie (Umfeld 1), aus der Kindertagesstätte (Umfeld 2) und aus der weiteren Umgebung (Umfeld 3). Jedes dieser Umfelder steht für eine Zutat, wie beim Kuchen backen. Wenn eine davon fehlt (in unserem Beispiel der Sprachinput im häuslichen Umfeld), dann wird sie durch etwas anderes ersetzt, nämlich durch den Input der anderen Sprache, die zu Hause gesprochen wird (Sprache B).
Selbst wenn diese Sprache eine komplett andere Sprache ist, ist das für “unseren Kuchen” völlig unwichtig: Sie bildet das Grundgerüst, auf dem die gesamte Sprachkompetenz aufbauen kann. Im Gehirn unserer kleinen Kinder werden die Brücken zwischen den Sprachen automatisch gebaut. Und Wissenschaftler*innen haben es bewiesen: Das Stärken einer Erstsprache trägt zur Stärkung der anderen Sprache bei [u.a. 2]. Mit anderen Worten: Lieber ein qualitätsvoller Input in Sprache B als ein schwacher Input in Sprache A, um am Ende in Sprache A eine starke Kompetenz zu entwickeln.
Machen wir mit der Zubereitung unseres Kuchens weiter. In unserem Beispiel ist es nicht so, dass die erste Zutat gänzlich fehlt. Sie wird einfach nur durch etwas anderes ersetzt: Etwas, das man ebenso zum Kuchen backen nutzen kann.
Wir müssen also dafür sorgen, dass der Kuchen am Ende trotzdem schmeckt.
Wie das geht, erfährst du jetzt.
Wenn uns also eine Zutat für unseren “Kuchen der Sprache” fehlt, müssen wir sie ersetzen bzw. kompensieren. Das gelingt am besten, wenn folgende Punkte berücksichtigt werden:
Sie ist so etwas, wie das passende Rezept für unseren Kuchen. Denn es ist sehr wichtig, von Anfang an einen klaren Fahrplan zu haben, an dem ihr euch orientieren könnt. Dieser beinhaltet zum Beispiel die Kommunikationsstrategie innerhalb der Familie: Wann wird welche Sprache mit wem gesprochen? Außerdem ist es auch wichtig, ab welchem Alter das Kind in eine Betreuungseinrichtung geht. Denn wie beim Kuchen Backen ist die Reihenfolge, in der die Zutaten untergemischt werden, wichtig: Wenn die erste Zutat fehlt (Input Sprache A im häuslichen Umfeld) bzw. durch eine andere ersetzt wird, dann darf die zweite Zutat (Input Sprache A im Kita-Umfeld) nicht zu spät hinzugefügt werden. Daher empfehle ich Eltern, die zu Hause kein Deutsch sprechen, ihr Kind schon vor dem dritten Geburtstag in eine Kindertagestätte zu schicken (schau dir zu diesem Thema gerne folgenden Blog-Beitrag an: https://herzenssprachen.de/bilinguale-erziehung-worauf-achten/). Darüber hinaus ist es natürlich auch wichtig auf ausreichend Kontakt zu Sprache A durch das weitere Umfeld (dritte Zutat) zu achten.
Es ist eben nicht nur wichtig, wie häufig ein Kind Kontakt zu einer Sprache hat, sondern auch auf welche Art und Weise: Wie wird mit dem Kind in der Sprache kommuniziert? Was wird gemeinsam unternommen und erlebt?
Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, bei der Wahl der Kindertagesstätte auf einige Punkte zu achten (siehe hierzu folgenden Beitrag: https://herzenssprachen.de/sprachfoerderndes-Umfeld/).
Deine Einstellung zur Landessprache ist so etwas wie eine zusätzliche Zutat, die dem Teig hinzugefügt werden sollte: Es ist wichtig, dass dein Kind spürt, dass ihr - seine Eltern - offen gegenüber der Landessprache seid, auch wenn ihr diese zu Hause nicht sprecht.
Die Sprachkompetenz deines Kindes ist in ständiger Entwicklung und sollte natürlich niemals als fertiger Kuchen verstanden werden. Sie ist vielmehr der frische Teig, der immer weiter bearbeitet und ergänzt werden muss: Jeden Tag fügen wir etwas mehr unserer Zutaten hinzu und manchmal gibt es auch ganz neue Zutaten.
Für uns Eltern ist es an dieser Stelle vor allen Dingen wichtig, auf die richtige Balance und Harmonie zu achten, damit der Kuchen am Ende gut wird.
Folgendes möchte ich dir aus diesem Grund noch mit auf den Weg geben: Glaub an dich und dein Kind. Dein Kind kann viersprachig aufwachsen.
Wenn du dir Hilfe wünscht und mehr Vertrauen in deinem Umgang mit deinem Kind gewinnen möchtest, dann melde dich gerne bei mir. Wir schauen gemeinsam, wie du dein Kind am besten begleiten kannst. Denn genau dafür habe ich herzenssprachen.de entwickelt.
Quellen
[1] Tracy, R. (2014): „Mehrsprachigkeit: Vom Störfall zum Glücksfall”, in: Krifka, Manfred; Blaszczak, Joanna; Leßmöllmann, Annette; Meinunger, André; Stiebels, Barbara; Tracy, Rosemarie; Truckenbrodt Hubert (Hrsg.) (2014): Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler, Springer Verlage, S. 30.
[2] Krifka, M. (2014): „Einleitung”, in :Krifka, Manfred; Blaszczak, Joanna; Leßmöllmann, Annette; Meinunger, André; Stiebels, Barbara; Tracy, Rosemarie; Truckenbrodt Hubert (Hrsg.) (2014): Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler, Springer Verlage, S. 9.
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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