20/10/23
Nicht selten hört man Sätze wie „Mein Kind hat auch später angefangen zu sprechen. Das ist normal bei mehrsprachigen Kindern.“ Doch ist das wirklich so? In diesem Artikel gehe ich auf die Fragen ein, wann Babys ihr erstes Wort sagen, welche Spezifizitäten es bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern gibt und wie du als Mama oder Papa dein Kind unterstützen kannst. Im zweiten Teil des Artikels gebe ich zum Teil ganz exklusive, wertvolle und ganz praktische Tipps für die Umsetzung.
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Monolingual aufwachsende Kinder sagen ihr erstes Wort im Durchschnitt um den 12. Monat herum. Bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern ist es nicht anders. Die Mehrsprachigkeit an sich erschwert den Spracherwerbsprozess nicht (siehe: Blog-Artikel „Mehrsprachigkeit: Wie verläuft der Spracherwerb bei Kleinkindern?"). Allerdings kann eine bewusste Kommunikation zwischen Eltern und Kind den Start erleichtern (dazu mehr unter Punkt 2.4).
Wichtig ist immer sich bewusst zu machen, dass es von Kind zu Kind sehr große Unterschiede gibt:
„Manche Kinder produzieren schon mit acht oder neun Monaten gelegentlich einzelne Wörter, andere erst mit eineinhalb oder fast zwei Jahren. Die normale Altersspanne liegt zwischen 9 und 18 Monaten. Nachdem der Wortgebrauch begonnen hat, bleibt es monatelang bei nur einigen wenigen Wörtern. Dann jedoch erweitert sich der Wortschatz allmählich, und es treten erste Wortkombinationen auf.” [1]
Spannend ist, dass Kinder unterschiedliche Strategien haben, um sprechen zu lernen. Manche Kinder plappern alles nach, andere hören länger zu. Manche „benutzen überwiegend Nomen, wenn sie anfangen zu sprechen, andere benutzen überwiegend Funktionswörter wie da, ab.” [2]
Ja, du weißt es, jedes Kind ist anders und hat sein eigenes Tempo, aber jedes Kind sollte bis zum Ende des zweiten Lebensjahres ca. 50 Wörter aktiv sprechen können. Wenn dies nicht der Fall ist, dann würde ich immer empfehlen, mit dem Kinderartz darüber zu sprechen und einen Hörtest durchführen zu lassen (Siehe: Blog-Artikel: „“Mein Kind spricht nicht": Später Sprechbeginn bei Mehrsprachigkeit“). Eine Spezifität bringt die Mehrsprachigkeit aber mit sich. Auf diese gehe ich im nächsten Punkt ein.
Total spannend finde ich, ist die Tatsache, dass mehrsprachig aufwachsende Kinder manchmal dazu tendieren, die leichtere Sprache zu bevorzugen. Das gilt sowohl beim Erwerb des Wortschatzes als auch später des Satzbaus. [3] Ich persönlich habe diese Erfahrung als Mama gemacht. Drei der wirklich allerersten Wörter meines zweiten Kindes, das dreisprachig aufwächst (mit Französisch, Türkisch und Deutsch), waren „ac” („an“ auf Türkisch, „allume” auf Fr.), „at” („werfen” auf Türkisch, „lancer” auf Französisch) und „aus” („kapat” auf Türkisch, „éteint“ auf Fr.). Wie man merkt hat sich mein Sohn scheinbar immer die leichten Wörter unter den drei Sprachen ausgesucht, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch die meiste Zeit mit mir, also in Kontakt mit der französischen Sprache, verbrachte.
Nicht nur Wörter, wie wir sie als Erwachsene verstehen, zählen im Spracherwerb als „Wort”. Hier gilt es drei Kriterien zu beachten: Benutzt dein Kind eine Äußerung immer für die gleiche Handlung oder denselben Gegenstand (die sogenannte Konzequenz), ganz bewusst und nicht zufällig (Bewusstheit) und ohne, dass diese von jemandem vorgesprochen wurde (Unabhängigkeit), dann zählt diese Äußerung als Wort. D.h. auch Äußerungen wie „Muh” (für Kuh) und auch Gesten (z.B. Winken beim Verabschieden) sowie Namen zählen als Wort.
Kann dein Kind ein Wort in beiden Sprachen (z.B. Hund im Deutschen und dog im Englischen), dann zählen diese als zwei Wörter, obwohl man meinen könnte, es wäre nur ein einziges Wort.
Dein Kind muss spüren, dass Kommunikation wirksam ist. Das erfährt es schon ganz früh dadurch, dass du auf seine Bedürfnisse eingehst, wenn es schreit. Später, wenn es anfängt Laute zu bilden, ahmst du diese nach und ihr tretet richtig in Interaktion mit einander (Siehe Blog-Artikel Mit Babys kommunizieren). Dabei ist der Augenkontakt ganz wichtig (das gilt auch für später). Dann, wenn es mit Gesten kommuniziert - z.B. streckt es die Arme aus, um hochgenommen zu werden oder winkt, um Tschüss zu sagen - dann gehst du idealerweise immer einfühlsam darauf ein.
In den ersten sechs Monaten seines Lebens erwirbt dein Kind die Fähigkeit, Augenkontakt mit seinen Interaktionspartnern herzustellen und zu halten.
In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres erwirbt es die Fähigkeit der geteilten Aufmerksamkeit (auch „triangulierender Blick“ genannt). Ab dann ist dein Kind in der Lage, sich mit dir gemeinsam etwas anzuschauen. D.h. wenn du auf etwas zeigst, dann wird es seine Aufmerksamkeit auch darauf lenken können. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt in der Sprachentwicklung. Ab jetzt kannst du die Welt mit deinem Kind richtig erkunden.
Um den ersten Geburtstag herum kommt dann bei deinem Kind noch eine weitere wichtige Fähigkeit dazu: Das Zeigen mit dem Finger.
Wenn du merkst, dass dein Kind sich für etwas Bestimmtes sehr interessiert, dann nutze es und führe dementsprechend manche Handlungen immer wieder durch (z.B. machst du das Licht an und aus oder eine Dose auf und zu). Benenne dabei die Gegenstände bzw. begleite die Handlungen mit Wörtern.
Kinder verstehen erst einmal viel mehr, als sie aktiv aussprechen können. Die passive Sprachkompetenz bildet eine wichtige Grundlage für den Aufbau der aktiven Kompetenz. Fördere also das Sprachverständnis deines Kindes indem du es in Handlungen einbeziehst, Fragen stellst (z.B. „Wo ist der Ball?“, „Wo sind deine Schuhe?“) oder kleine Anforderungen gibst („Komm, wir legen die Bausteine wieder in den Kasten” oder „Leg bitte den Schuh wieder hin.”). Begleite dein Kind dabei und zeig Freude, wenn es auf deine Frage eingegangen ist. So erfährt dein Kind wie machtvoll Wörter sind. Bitte an der Stelle aber wichtig: Kein Abfragen. Bitte dein Kind nicht darum, Gegenstände zu benennen (z.B.: „Was ist das?”).
Was dabei auch hilft ist die Verknüpfung mancher Wörter oder Handlungen mit einer bestimmten Gestik oder Mimik (z.B. beim Abschied immer winken).
Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, erleben in ihrem Alltag verschiedene Sprachen. Welchen Kontakt sie zu diesen Sprachen haben spielt eine enorm wichtige Rolle im Aufbau ihrer aktiven Sprachkompetenz. Dabei ist die Qualität oft wichtiger noch als die Quantität des Inputs. Manchmal reicht es, dass sie das Wort ein einziges Mal hören, um es dann selber bei der nächsten Gelegenheit wiedergeben zu können.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist heute nicht bewiesen, ob die klare Trennung der Sprachen durch die Bezugspersonen im Aufbau der Sprachkompetenz von Bedeutung ist [4] . Jedoch gibt es einige Hinweise darauf, dass dies das Einsteigen in die Sprache erleichtern könnte [5]. So oder so ist hier in meinen Augen ein Punkt ganz essenziell: Eine klare Strategie stellt sicher, dass keine Sprache zu kurz kommt. Allein aus diesem Grund rate ich Eltern immer dazu, sich zumindest für die erste Zeit, für eine Kommunikationsstrategie zu entscheiden. Aus meiner Erfahrung in der Begleitung zahlreicher Familien kann ich sagen, dass die Landessprache sehr schnell die Überhand nehmen kann, wenn diese von dem Elternteil auch gut beherrscht wird, der seinem Kind eine andere Muttersprache weitergeben möchte. Also lege lieber eine Strategie fest; hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten (Siehe Blog-Artikel „Darum ist OPOL nicht immer sinnvoll").
Benenne die Gegenstände in der Sprache, die gerade dran ist (Siehe Punkt 2.3), je nachdem welches Kommunikationsmodell ihr mit eurem Kind ausgewählt habt. Falls ihr euch für Eine-Person-eine-Sprache entschieden habt, dann sag immer das Wort in deiner Sprache. Wenn dein Partner/deine Partnerin gleich im Anschluss das Wort in seiner/ihrer Sprache sagt, wird das euer Kind nicht verwirren. Es wird sehr schnell verstehen, dass es für einen Gegenstand zwei Wörter geben kann [6].
Wenn dein Kind ein Wort in der anderen Sprache als in deiner zu dir sagt, dann wiederhole es einmal (somit bekräftigt du ihn/sie in seiner/ihrer Sprachlernmotivation), ergänze aber mit dem entsprechenden Wort in deiner Sprache.
Fazit
Die Mehrsprachigkeit an sich hat keinen Einfluss darauf, wann dein Baby sein erstes Wort sagen wird. Gib deinem Kind die nötige Zeit, beobachte seine Entwicklung und nimm mit Freude und Geduld daran teil. Freu dich an all die kleinen Schritte, die dein Kind auf dem Weg in die kompetente Mehrsprachigkeit meistert.
Quellen
[1] Szagun, Gisela (2013): Sprachentwicklung beim Kind, ein Lehrbuch: S. 74.
[2] Szagun, Gisela (2013): Sprachentwicklung beim Kind, ein Lehrbuch: S. 168.
[4] Siehe: Scharff-Rethfeld, Wiebke (2020): Sprachförderung für ein- und mehrsprachige Kinder Ein entwicklungsorientiertes Konzept: S.28.
[5] Anstatt, Tanja / Dieser, Elena (2007): Sprachmischung und Sprachtrennung bei zweisprachigen Kindern (am Beispiel des russisch-deutschen Spracherwerbs), in: Anstatt, Tanja (Hrsg.): Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Erwerb. Formen. Förderung, Tübingen: Attempto, S. 139-162: S. 142.
[6] Tracy, Rosemarie (2008): Wie Kinder Sprachen lernen, und wir wir sie dabei unterstützen können. 2 Aufl., Francke Verlag: S. 104.
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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