„Mein Kind spricht nicht“: Später Sprechbeginn bei Mehrsprachigkeit

13/11/2020

Wenn das eigene Kind mit fast zwei Jahren noch keine oder nur sehr wenige Worte spricht, sind viele Eltern verunsichert und beginnen, sich Fragen zu stellen: Müssen wir uns Sorgen machen? Überfordert die Dreisprachigkeit unser Kind? Wie können wir unser Kind unterstützen?

Man hört oft, dass Kinder, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, später mit dem Sprechen beginnen. Das stimmt allerdings nicht. Ein später Sprechbeginn geschieht nicht automatisch, nur weil das Kind mehrsprachig aufwächst. Mehr dazu erfährst du in diesem Artikel

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Wann sollte ein Kind spätestens anfangen zu sprechen?

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo und es gibt verschiedene Gründe dafür, wie früh und wie schnell es sprechen lernt. Sicher ist jedoch, dass die Mehrsprachigkeit an sich kein Hindernis für einen frühen Sprechbeginn ist. 

Grundsätzlich sollte ein Kind mit zwei Jahren etwa 50 Wörter aktiv sprechen können. Aktiv bedeutet, dass es diese Wörter nicht nur verstehen, sondern auch selbst produzieren kann. Im Falle der Mehrsprachigkeit sind es - alle Sprachen miteingerechnet - 50 Wörter insgesamt. 

Wenn dies bei deinem Kind nicht der Fall ist oder du grundsätzliche Bedenken hast, dann sprich am besten mit deinem Kinderarzt oder einer anderen Fachperson (z.B. Logopäde) darüber. Viele Kinder, die spät mit dem Sprechen beginnen, holen schnell auf aber ob dafür eine fachliche Unterstützung notwendig ist oder nicht sollte abgeklärt werden. Lass dich aber in Bezug auf die Mehrsprachigkeit auf keinen Fall verunsichern: Sie macht den Spracherwerb für dein Kind nicht schwerer. Es ist vielleicht nur so, dass dein Kind mehr Begleitung und Unterstützung für seine Sprachentwicklung braucht.

Mein Kind spricht nicht: Was kann ich tun?

Wenn dein Kleinkind (noch) nicht spricht, kannst du neben der Unterstützung durch Fachpersonal natürlich auch selbst ein paar Dinge tun, um dein Kind bestmöglich zu unterstützen und zu motivieren.

  • Schaffe eine klare Struktur 

Aus wissenschaftlicher Sicht ist heute nicht bewiesen, ob die klare Trennung der Sprachen durch die Bezugspersonen im Aufbau des Sprachkompetenz von Bedeutung ist. Jedoch gibt es einige Hinweise darauf, dass dies das Einsteigen in die Sprache erleichtern könnte [1]. Deswegen würde ich empfehlen, gerade in den ersten Lebensjahren, eine klare Struktur zu schaffen mit der festgelegt wird, wann welche Sprache durch wen gesprochen wird - ohne aber, dass es den natürlichen Kommunikationsfluss innerhalb der Familie hemmt. Dabei helfe ich Euch im Rahmen meiner Online-Kurse und Programme gerne.

  • Spreche viel aber bitte mit Augenkontakt

Besonders wichtig ist natürlich, dass dein Kind so viel wie möglich mit Sprache in Berührung kommt. Gerade im Falle von Zwei- oder Mehrsprachigkeit scheint die Quantität des Inputs in den ersten zwei Lebensjahren für den Aufbau des Wortschatzes besonders wichtig zu sein [2]. Versuche also so viel wie möglich, was du tust, durch Sprache zu begleiten und kommentiere deine Handlungen. Tue dies dann, wenn du weißt, dass du die Aufmerksamkeit deines Kindes hast (u.a. durch Blickkontakt). Es geht nicht darum, dein Kind mit Sprache zu überschütten. 

Versuche auch eine Zeit lang immer die gleichen Wörter und keine Synonyme zu verwenden. Zum Beispiel sagst du für Auto immer „Auto” und nicht „Wagen” oder für „Jacke” immer „Jacke” und nicht „Mantel” oder „Anorak”. Erst wenn dein Kind dieses eine Wort selber produzieren kann, kannst du Synonyme einbringen.

  • Motiviere dein Kind

Du kennst dein Kind wahrscheinlich so gut, dass du immer sofort weißt, was es will, wenn es eine bestimmte Geste zeigt. Doch der letzte Tipp, den ich dir heute mitgeben möchte, ist folgender: Motiviere dein Kind, etwas zu sagen, wenn es etwas möchte - ohne Druck und Zwang natürlich. 

Ein kleines Beispiel: Ihr sitzt am Tisch und dein Kind zeigt auf die Wasserflasche, um zu signalisieren, dass es Wasser möchte. Stelle zunächst Augenkontakt her und frage: „Was möchtest du haben? Möchtest du das Wasser?” Wenn es mit dem Kopf nickt, bestätige seine Antwort und wiederhole: „Ja, Wasser.” 

Erwarte aber nicht (und verlange auch nicht), dass es wiederholt, was du gesagt hast. Ziel ist hierbei vielmehr in bestimmten Situationen den Fokus auf die Verbindung zwischen Gegenstand und Wort zu legen und deinem Kind den passenden Ausdruck anzubieten. 

Hierbei helfen auch Spiele: Nimm zum Beispiel einen Ball, lasse dein Kind damit spielen und sage dabei öfter das Wort „Ball”. Nach einiger Zeit versteckst du den Ball hinter deinem Rücken und wartest auf die Reaktion deines Kindes. Es wird wahrscheinlich deutlich machen, dass es den Ball wieder haben will. Daraufhin kannst du fragen: „Was möchtest du denn haben?” Warte einen Moment, beobachte, wie es versucht, sich auszudrücken. Dann kannst du ihm helfen indem du sagst: „Möchtest du den Ball haben?”. Spiele dieses Spiel mehrmals innerhalb weniger Tage und vielleicht merkst du schon eine Veränderung bei deinem Kind.

Zusammenfassung

Die oben genannten Tipps verstehen sich lediglich als Unterstützung beim Spracherwerb vor dem zweiten Geburtstag und reichen allein sicherlich nicht aus, wenn dein Kind wirklich Hilfe braucht. 

Wenn du bezüglich der Sprachentwicklung deines Kindes Bedenken hast, lege ich dir ans Herz, dir fachlichen Rat zu holen. Denn beim Spracherwerb gilt das Motto: Lieber früh als zu spät.

 

 

Quellen:

 

[1]  Siehe Anstatt, Tanja / Dieser, Elena: Sprachmischung und Sprachtrennung bei zweisprachigen Kindern (am Beispiel des russisch-deutschen Spracherwerbs), in: Anstatt, Tanja (Hrsg.): Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Erwerb. Formen. Förderung, Tübingen: Attempto 2007, S. 139-162: S. 142.

[2] Sivakuma/Sette inArnaus Gil, Laia; Müller, Natascha (2019): Frühkindlicher Trilingualismus, Französisch, Spanisch, Deutsch, Tübingen: Narr Francke Attemptop Verlag: S. 70.

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