Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

27/08/2021

 

Wie wirkt sich die Mehrsprachigkeit auf den Spracherwerbsprozess aus? Lernt ein Kind, das mit zwei oder mehr Sprachen aufwächst, auf die gleiche Art sprechen wie ein Kind, das nur eine Sprache lernt? Und bis zu welchem Alter kann es eine Sprache „natürlich“ erlernen? Spielt es dabei eine Rolle, um welche Sprachen es sich handelt? Wenn du dir diese oder ähnliche Fragen stellst, dann findest du hier die Antworten.

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Doppelter Erstspracherwerb: Von Anfang an mehrsprachig

Kinder lernen Sprachen meist auf ähnliche Weise. Entscheidend ist dabei weniger wie viele Sprachen es sind, sondern unter welchen Rahmenbedingungen das Kind mit den Sprachen in Berührung kommt. Der konkrete Erwerbsverlauf kann sich je nach Sprache natürlich unterschiedlich gestalten. 

Eine der zentralen Rahmenbedingungen ist jedoch immer das Alter des Kindes. Startet der Erwerbsprozess innerhalb der ersten drei Lebensjahre (damit ist „von Anfang an” gemeint), so finden die Entwicklungsprozesse in allen betreffenden Sprachen ungefähr gleichzeitig statt. Individuelle Unterschiede sind dabei normal. Es gibt auch immer Phasen, in denen das Kind mehr auf die eine oder andere Sprache fokussiert ist.

Die meisten mehrsprachig aufwachsenden Kinder entwickeln in der einen Sprache eine stärkere Kompetenz als in der anderen. Sie brauchen dann länger, um in ihrer schwächeren Sprache die Satzlehre zu beherrschen oder einen gewissen Wortschatz aufzubauen. 

Wenn du merkst, dass dein Kind in einer seiner Sprachen langsamer Fortschritte macht als in der oder den anderen Sprachen, solltest du es bestmöglich unterstützen. Wenn du aber feststellst, dass es all seine Sprachen langsamer lernt, schreib mich gerne an. 

An der Stelle ein wichtiger Hinweis: Von Beginn an mehrsprachig aufwachsende Kinder fangen nicht automatisch später mit dem Sprechen an. Zwar kann die Mehrsprachigkeit dazu führen, dass ein Kind, im Vergleich zu monolingualen Kindern, bestimmte Sprachkomponenten (wie z.B. die Aussprache, die Sprachmelodie, die Grammatik oder den Wortschatz) schneller oder langsamer erwirbt, die Mehrsprachigkeit an sich ist allerdings nicht der Grund für einen verspäteten Sprechbeginn.

Ursachen dafür sind in solchen Fällen eher im auditiven Bereich zu finden oder aber auch in einer nicht-strukturierten Anwendung der Sprachen innerhalb der Familie.

Außerdem kann die Sprachkombination bei der Sprachentwicklung eine wesentliche Rolle spielen: Ähneln zwei Sprachen einander sehr (wie z.B. Französisch und Spanisch oder Deutsch und Holländisch), so kann das für den Wortschatzerwerb sehr vorteilhaft sein, die Trennung der beiden Sprachen aber wiederum erschweren.

Zweitspracherwerb: Wenn eine weitere Sprache später eingeführt wird

Wenn die zweite Sprache zwischen dem dritten und dem fünften Geburtstag eingeführt wird (in dem Fall wird von einer „frühen Zweitsprache“ gesprochen), erfolgt der Spracherwerb noch ganz instinktiv. 

Das Kind kann die Sprache also problemlos auf Muttersprachniveau erwerben, jedoch gilt es auch hier Folgendes zu beachten: Je früher das Kind die neue Sprache lernt, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie gut angenommen wird. 

Ob der Kontakt mit drei oder vier Jahren startet, macht hierbei tatsächlich einen großen Unterschied. Zusätzlich ist es wichtig, dass das Kind intensiv mit der Sprache in Kontakt kommt (z.B. in einer Kita mit größtenteils monolingualen Kindern). 

Zu diesem Zeitpunkt sollte das Kind seine erste Sprache schon gut sprechen und auch sein Umfeld sollte eine positive Haltung zur neuen Sprache haben.

Wenn die Sprache als frühe Zweitsprache eingeführt wird, kann es passieren, dass das Kind bestimmte Kompetenzen in der neuen Sprache besonders schnell erwirbt und für andere etwas länger braucht. Das liegt daran, dass es nicht erst neu sprechen lernt, sondern seine Kompetenz auf sein Können der Erstsprache aufbaut. 

Wenn die Zweitsprache erst nach dem fünften Geburtstag eingeführt wird, verläuft der Prozess anders: Er findet nicht mehr auf natürliche Art statt, sondern verläuft ähnlich wie beim Lernen einer Fremdsprache. Das hat zur Folge, dass das Kind Unterstützung benötigt, zum Beispiel in Form von Kursen. Wichtig ist hierbei aber auch das Thema Lernmotivation sowie das individuelle Sprachtalent des Kindes. 

Darüberhinaus  wird die Aussprache von der Erstsprache höchstwahrscheinlich beeinflusst bleiben - zur Aussprache komme ich gleich noch einmal zu sprechen.

Jede Sprache hat ihren eigenen Erwerbsverlauf

Der Erwerb von Sprachkomponenten verläuft nicht in jeder Sprache gleich. In manchen Sprachen werden bestimmte Fähigkeiten früher erworben, als in anderen. Das ist abhängig von der jeweiligen Komplexität. Im Griechischen zum Beispiel ist die Bildung des Nomens sehr vielfältig. Deshalb kann es bis zu einem Alter von sechs Jahren andauern, bis das Kind hierin sicher ist. Im Englischen dagegen wird der Erwerb dieser Sprachkomponente viel früher abgeschlossen.

Auch bei der Grammatik kann es sein, dass das Kind zunächst das einfachere System aus der einen Sprache auf die andere Sprache überträgt und das komplexere System etwas später erwirbt. Vergleiche also nicht den Entwicklungsverlauf der einen Sprache mit der anderen. 

Denn, weil dein Kind eine Sache in einer Sprache schon kann, heißt es nicht, dass es dies auch in der anderen Sprache schon können muss.

Mischen der Sprachen gehört dazu

Schon sehr früh, etwa im Alter von achtzehn Monaten, kann ein Kind Sprachsysteme unbewusst unterscheiden. Mit etwa zwei Jahren wird sich das Kind dessen bewusst und ist schon in der Lage, die Sprache an den Gesprächspartner anzupassen. Es dauert allerdings noch eine gewisse Zeit, bis es lernt, beide Sprachen wirklich aktiv voneinander zu trennen. Jedes mehrsprachig aufwachsende Kind mischt seine Sprachen eine Zeit lang. Meistens nimmt dies im Alter von vier Jahren deutlich ab - wenn das Kind bereits einen guten Wortschatz in beiden Sprachen erreicht hat.

Jedes mehrsprachig aufwachsende Kind ist anders

Jedes Kind schläft anders, jedes Kind isst anders. Manche Kinder lieben Rosa, andere Grün oder Gelb. Manche Kinder lieben Malen oder Basteln, andere mögen lieber Bauen oder sind gerne in Bewegung. Manche Kinder sind sehr aufgeschlossen, andere eher schüchtern. Jedes Kind ist anders. Und so ist es auch beim Thema Mehrsprachigkeit und generell beim Umgang mit Sprachen. Sehr viele Faktoren beeinflussen die Sprachkompetenz und das Selbstbewusstsein eines Kindes. Und auch, wenn Eltern ihre Kinder aktiv unterstützen und stärken können, gibt es ebenso Aspekte, auf die man keinen direkten Einfluss hat.

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo bzw. geht anders mit seinen Sprachen um. Und das gilt es als Elternteil, neben aller Unterstützung, auch zu akzeptieren.

Erstspracherwerb ist nicht automatisch akzentfrei 

Letztens fragte mich eine Mutter im Gruppencoaching, ob es normal wäre, dass ihre Tochter ihre Sprache mit Akzent spricht. Es überrascht uns Eltern oft, wenn unsere Kinder nicht akzentfrei sind, schließlich sprechen wir ja auch ohne Akzent mit ihnen. 

Doch der bloße Kontakt zu einer Sprache ist für eine perfekte Aussprache oft nicht ausreichend. Und darüber hinaus befinden die Kinder sich in einem Entwicklungsprozess und dieser braucht Zeit. Es ist also durchaus möglich, dass der Akzent mit der Zeit verschwindet. Je nach Sprache erwerben Kinder bestimmte Laute früher oder eben später. Das ist Teil des ganz normalen Erwerbsprozesses.

Zusammenfassung

Mehrsprachig aufwachsen bedeutet keineswegs, dass der Spracherwerb erschwert wird. Jedoch spielen unglaublich viele Faktoren eine Rolle dabei, wie schnell und wie gut sich die Sprachkompetenz des Kindes entwickelt. 

Weitere Informationen zu den Rahmenbedingungen beim bilingualen Spracherwerb findest du auch in meinen weiteren Blog-Artikeln.

 

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