by Dr. Adeline Hurmaci, 22.11.24
Die zweisprachige Erziehung eines Kindes ist ein wertvolles Geschenk, das Familien ihren Kindern mitgeben können. Doch für viele Eltern, die diese Aufgabe übernehmen, bringt sie auch eine unsichtbare Last mit sich – den sogenannten Mental Load. Dieser beschreibt die ständige, oft unbewusste geistige Arbeit, die notwendig ist, um alle Anforderungen und Bedürfnisse im Familienalltag zu managen. Bei der zweisprachigen Erziehung wird diese Last oft noch größer, da die Mutter oder der Vater zwischen verschiedenen Sprachen, Kulturen und Erwartungen jonglieren muss.
In diesem Artikel wird die Situation beispielhaft anhand einer russischen Mutter, Anastasia, geschildert. Es könnte sich genauso gut um einen Vater oder um einen anderen sprachlichen/kulturellen Hintergrund handeln.
Anastasia lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Ursprünglich kam sie hierher, um zu studieren, doch das Leben hatte andere Pläne: Sie verliebte sich, heiratete und wurde vor drei Jahren Mutter eines kleinen Jungen. Mit ihrem Sohn spricht sie Russisch – die Sprache ihrer Kindheit, ihrer Heimat, ihrer Seele. Jedes Mal, wenn sie ihrem Sohn auf Russisch eine Geschichte erzählt oder Lieder singt, spürt sie eine ganz spezielle und tiefe Verbindung zu ihrem Kind.
In ihrem Umfeld gibt es niemanden, der Russisch spricht. Auch ihr Mann kann kein Russisch. Er spricht mit dem Kind nur Deutsch.
Seit ihr Sohn zu sprechen begonnen hat, spürt Anastasia eine wachsende Herausforderung, mit der sie nie gerechnet hätte: Die unsichtbare Last, die zweisprachige Erziehung mit sich bringt.
Zweisprachigkeit ist ein wunderbares Ziel, aber es erfordert viel Engagement und oft auch einen Spagat zwischen den verschiedenen Bedürfnissen in der Familie:
Die Mutter selbst: Anastasia möchte ihrem Kind ihr eigene Muttersprache und damit auch die eigene Kultur, Identität und ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln. Gleichzeitig wünscht sie sich, dass die Bindung zu ihrem Kind harmonisch bleibt und dass es die Sprache nicht nur versteht, sondern auch aktiv spricht.
Das Kind: Anastasias Sohn hat seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Er möchte nur noch Deutsch sprechen; die Sprache, die in seiner Umgebung dominant ist.
Der Partner: Anastacias Partner möchte sich eingebunden fühlen bzw. fühlt sich ausgeschlossen, wenn Anastasia ihre Sprache mit ihrem Sohn spricht. Doch auch er wünscht sich Harmonie in der Familie und Zeit für gemeinsame Aktivitäten, ohne dass Sprachkonflikte diese stören.
Für Anastasia bedeutet das ein Dilemma:
Diese Entscheidung ist nicht einfach, da sie auch von den Erwartungen der Gesellschaft und des Umfelds beeinflusst wird:
Um den Mental Load zu verringern und die Balance im Familienalltag zu halten, könnte Anastasia folgende Ansätze nutzen:
Flexibilität: Die Freude an der Zweisprachigkeit sollte im Vordergrund stehen. Statt Druck auszuüben, kann es helfen, spielerische Ansätze zu nutzen, um die Bindung zur Sprache und damit die Lernmotivation bei Ihrem Kind zu stärken.
Kommunikation: Offene Gespräche mit dem Partner und anderen Familienmitgliedern sind entscheidend. Das Teilen der eigenen Sorgen und Wünsche hilft, Verständnis und Unterstützung zu schaffen.
Bedürfnisse äußern: Anastasia sollte ihre eigenen Wünsche und Grenzen klar formulieren - sei es gegenüber dem Partner, dem Umfeld oder sich selbst.
Unterstützung suchen: Der Austausch mit anderen zweisprachigen Familien oder einfach mit Freunden kann hilfreich sein, um Strategien zu teilen und sich weniger allein zu fühlen. Professionelle Beratung kann ebenfalls eine große Unterstützung sein.
Energie-Reservoir auffüllen: Selbstfürsorge ist entscheidend. Ob ein Spaziergang, ein Treffen mit Freunden oder Zeit für ein Hobby – regelmäßige und fest geplante Auszeiten helfen, die eigene Energie aufzuladen.
Einen klaren Plan entwickeln: Eine Strategie für die zweisprachige Erziehung, z. B. bestimmte Zeiten oder Rituale für die Zielsprache, würde eine Orientierung geben und Unsicherheiten reduzieren.
Vertrauen und positive Dinge fokussieren: Statt sich auf Schwierigkeiten zu konzentrieren, kann es helfen, kleine Erfolge bewusst wahrzunehmen und zu feiern. Vertrauen in den Prozess und die eigene Fähigkeit, dem Kind etwas Wertvolles mitzugeben, ist extrem wichtig..
Die zweisprachige Erziehung ist eine bereichernde, aber auch herausfordernde Aufgabe. Der Mental Load, der damit verbunden ist, kann durch bewusste Strategien, offene Kommunikation und Selbstfürsorge reduziert werden. Wichtig ist, dass die Freude an der Zweisprachigkeit im Mittelpunkt steht – für die Mutter, das Kind und die ganze Familie.
Ich begleite euch auf eurem Weg!
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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